Ein kraftvolles Ja zum Leben
 
 
Antonius van der Pas, der seit einigen Jahren in Mettmann lebende profilierte Maler der Düsseldorfer Kunstszene, vollendet am 24. September 1990 sein 70. Lebensjahr. Seinen Bildern, die in ungebrochener schöpferischer Kraft und immenser Schaffensfreude wie eh und je, meist in grossen Formaten, entstehen, ist das nicht anzumerken. Von einem "Altersstil" kann da keine Rede sein. Diese ebenso souveränen wie leidenschaftlich engagierten, mit Herzblut gemalten Bilder, in die er sein Leben verströmt, sind zugleich sein ständiger Ansporn, sein Lebenselexier: eine tägliche Herausforderung, ein immer erneutes Wagnis.
 
Antonius van der Pas expressive, sich im spontanen Pinselgestus entfaltende und dem Wunder glühender und blühender Farben hingebende Bilder erzählen von diesem dramatischen Prozess des Entstehens, Suchens und Findens, vom Zusammenwachsen des eigentlich Ungreifbaren zur Form, von der Harmonisierung des Konträren zum klingenden Farbakkord, von der stürmischen Bewegung zur in sich ruhenden Komposition als Gleichnis von Welt, Natur, Leben, als Abbild von Erleben.
 
"Paysages" - verinnerlichte Landschaften sind das, diese Abstraktionen geschauter gewachsener Natur in aller Welt. Lebenslang hat sich der Maler van der Pas auf Reisen begeben, um den Zauber, die Vielfalt des Wesens von "Landschaft", Land und Meer, Himmel und Erde, Baum und Stein, Vegetativem und Kristallinem, Fliessendem und Bleibendem, Bewegtem und Ruhendem - in ihrem spannungsreichen Zusammenspiel zu schauen, zu entdecken und ganz zu assimilieren. Er hat es erlebt, als wäre es sein eigenes Wesen, hat sich einfühlend damit identifiziert und ihm im Bild, seinen Farben und Strukturen, Ausdruck verliehen.

Immer ist Antonius van der Pas als Maler von "Landschaft" dem Mysterium von Natur und Leben auf der Spur. Seine von vitaler Energie und Bewegung getragenen und ganz durchdrungenen abstrakten Bildorganismen empfangen ihre große Variabilität, ihren phantastischen Reichtum farbiger und formaler Strukturen aus der Natur selbst. Aber sein Sehen bleibt nicht an der Oberfläche haften. Er erfasst sie in jenen Schichten des eigenen Unbewußten, in den Tiefen der Seele als Wesensgrund, wo Menschsein und Natur, Ich und All ineinanderfließen.
 
Für Antonius van der Pas ist das kein Sturz ins bodenlose Nichts. Dem Einsamen, der sich in die Natur wie in sich selbst versenkt, ist ihre verinnerlichte "Landschaft" Heimat, Weg zu sich selbst, Terrain des Schöpferischen, Inspiration. So, wie er seine stets durch Skizzen vor der Natur vorbereiteten, impulsiven körper- und schwerelosen Kompositionen mit ihren sich oft heftig und eruptiv artikulierenden Kontrasten der Farb- und Bewegungsflüsse doch immer ausgewogen baut und in ihren Farb- und Formverhältnissen aufeinander abstimmt, wie ein gemeinsamer Bewegungsstrom alle Details zum übergreifenden Organismus verbindet, so ist jedes seiner Bilder ein kraftvolles Ja zum Leben, ein Lob der Schöpfung und Bekenntnis zu den in ihr waltenden sinnvollen Energien.
 
Kräfte des Wachstums, der Bewegung, des Lebens und Zusammenlebens, nicht der Zerstörung, nicht des Morbiden, Begeisterung für das real existierende Schöne, Triumph über die Melancholie, Freiheit der vom Gegenständlichen gelösten Farbe und Geste, die doch in die Disziplin des Kalligraphischen genommen wird - das sind einige Botschaften, die uns dieser Künstler vermitteln will. Ein Ohrenleiden hat ihn nach innen lauschen lassen. Seine Farben sind Klang, Musik, ein Fest der Augen. Seine Landschaften aus der Bretagne, aus Südfrankreich, Spanien, Marokko, Bali, Burma, Japan, Norwegen, Arizona in ihrer oft grandiosen Monumentalität und souveränen künstlerischen "Übersetzung" locken uns in Gärten, Dschungel, an Küsten der Poesie, der Legenden und Balladen, in die verwunschenen Gefilde des Pan.

Dionysisches und Apollinisches scheinen sich da zu kreuzen:
Expressionismus und Kubismus ( Braque ), lyrisches Informel der Ecole de Paris ( Hartung, Pollock ), rauschhafte Hingabe an die Farbe und kristallinische Gesteinsstrukturen als Kontrapunkt - ein Gegensatz, der in den früheren Arbeiten mehr zum Tragen kam, während seit den achtziger Jahren das Gestisch-Kalligraphische überwiegt. Doch noch immer sind "Roc et Arbre" ( Fels und Baum ) ein Hauptthema des Künstlers, der eine unverwechselbare malerische Handschrift von zum Teil immer noch unterschätzter oder zu wenig beachteter Souveränität, innerer Monumentalität und Ausdruckskraft entwickelt hat.

Dem warmblütigen, intensiven Rot antwortet da oft das traumferne, doch nicht weniger eindringliche sonore Ultramarinblau. Lichtgelb, Orange, Türkis, Hellblau, wenig Grün, Weiß, Schwarz fließen ein. Van der Pas mischt seine sensibel gestuften Eitempera oder Acrylfarben auf der Palette selbst. Licht, die Sonne des Südens ist wirksam in diesen zum Teil überragenden Bildern, wahren Farbsymphonien eines Romantikers unserer Tage. Beglückendes geht von ihnen aus. Sie sind dazu prädestiniert, den kühlen Ambienten moderner Architektur in Stahl, Glas und Beton ihre vitalen Impulse zu vermitteln, auch in Glasfenstern oder Wandmalereien.
 
YVONNE FRIEDRICHS